{Designerin des Monats}
Wer Melanie Bergs Geschichte erzählen will, kann viel über das Stricken schreiben. Über den Sprung vom öffentlichen Dienst in die Selbstständigkeit. Über das Entstehen von Anleitungen, über Ravelry-Gruppen, über Freundschaften, die um die ganze Welt reichen.
Wer Melanies Geschichte erzählen will, kommt auch um Ereignisse nicht herum, die erstmal gar nichts mit Stricken zu tun haben. Da geht es dann um Diagnosen, die alles auf den Kopf stellen. Und die dann doch wieder ihren Weg in die Strickgemeinschaft finden. Melanie Berg ist eine Strickdesignerin, die so vielschichtig ist, dass ein Text vermutlich nicht ausreicht. Aber irgendwo muss man ja anfangen.
Erst modifiziert, dann selbst designt
Wie so oft beim Stricken, beginnt der Kontakt zur Handarbeit bei Melanie als Kind. Von der Mutter gelernt und dann mit der Geburt des ersten Kindes wiederentdeckt, begleitet das Stricken Melanie also schon eine ganze Weile. “Am Anfang wusste ich nicht einmal, dass es richtige Strickanleitungen gibt”, erinnert sie sich. Ihre eigene Mutter hat ihre Modelle immer selbst berechnet und gestrickt. Und so hat sich die Bonnerin schnell von den vorhandenen Anleitungen gelöst und modifiziert. “Irgendwann waren die Änderungen so groß, dass ich angefangen habe, selbst zu designen”, erzählt sie.
Zu Beginn hat sie ihre Anleitungen kostenlos angeboten. Wer würde das denn schon nachstricken? Nun – eine ganze Menge. “Damals dachte ich ‘Das ist ja richtig cool’”, erinnert sich Melanie lachend. Sie traute sich, bei Aufrufen mitzumachen und ihre Ideen für Publikationen anzubieten. “Ich war total aus dem Häuschen, als etwas angenommen wurde.” Wie es wohl wäre, das Stricken und Entwerfen zum Hauptberuf zu machen?
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Diese Frage kam unweigerlich auf. Denn mittlerweile war Melanie Mutter von drei Kindern. Dazu kam ein Halbtagsjob im IT-Bereich des öffentlichen Dienstes. “Das war anstrengend”, sagt sie. Ein Hobby war das Stricken schon lange nicht mehr. Also den berühmten Sprung ins kalte Wasser wagen? So drastisch war der Schritt am Ende gar nicht: “Es war eher warmes Badewasser”, meint Melanie. Dank Elternzeit konnte sie sich nach und nach etablieren. Drei Jahre hat das circa gedauert. Und heute? Ist Melanie Berg aus dem Strickkosmos nicht mehr wegzudenken.
Auf einmal steht alles Kopf
Vier bis fünf Monate braucht sie im Schnitt, um eine Anleitung zu schreiben. Am Anfang steht meist ein Garn. “Jede Wolle hat andere Eigenschaften und eignet sich für unterschiedliche Dinge”, erläutert Melanie. Das meiste rund um ihr Label “mairlynd” – ein Name, den sie sich selbst ausgedacht hat – macht die 43-Jährige selbst. Sobald die Anleitung steht, prüfen Testerinnen und zwei Tech-Editorinnen das Geschriebene. Unterstützung gibt es außerdem beim Newsletter und den Einleitungstexten für neue Designs. Denn Melanies Modelle erzählen oft auch eine persönliche Geschichte. Und seit knapp zwei Jahren kommt hier ein ganz besonderer Aspekt hinzu.
Es war Frühling 2021, Corona war immer noch in aller Munde, als Melanie die Diagnose Brustkrebs erhielt. Einer von acht Frauen ergeht es so in ihrem Leben. Und Melanie war nun eine davon. Die Diagnose: ein Schock. “Alles stand auf dem Kopf.” Dass sie einmal Krebs kriegen könnte, daran hat die Designerin nicht gedacht. Nicht bei ihrem gesunden Lebensstil. “Ich wusste am Anfang nicht, was ich schreiben soll”, erinnert sie sich und taucht aus diesem Grund erst einmal unter. Ihr Profil auf Instagram: still. Es war keine Energie da für alles rund um Social Media.
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Erst als ihre Ärztin sagt “Wir können das heilen” kommt bei Melanie der Gedanke auf, dass sie rauskommt aus dieser Situation. Und sie beginnt, ihre Geschichte öffentlich zu machen und nimmt ihre Leserinnen mit. “Ich bin so dankbar für die vielen Begegnungen”, erzählt sie. “Das hat mich gestärkt.” Sie erhält viele Nachrichten von Betroffenen, führt viele schöne und tiefe Gespräche. “Man fühlt sich sehr leicht verstanden.”
Die Arbeit hat geholfen
Was sie ebenfalls durch die schwere Zeit trägt, die geprägt ist von Untersuchungen und Chemotherapie? Die Arbeit. “Das berufliche Umfeld hat mir sehr geholfen”, sagt sie. “Ich habe mich weiterhin wichtig fühlen können.” Und so entstanden auch in dieser Zeit einige Designs – darunter die Sweater Pink is for Power und Peach Fuzz. Sie erinnern bis heute an den Umgang mit der Krebserkrankung oder daran, wie nach der Chemotherapie langsam wieder Haare wuchsen.
Ob die Diagnose sie verändert hat? “Ich bin nicht mehr so blauäugig wie früher”, sagt Melanie, nachdem sie etwas überlegt hat. “Und kompromissloser.” Heute sagt sie schneller, wenn ihr etwas nicht passt. Ihr Stil hat sich hingegen über die Jahre kaum verändert. “Mir geht es heute immer noch darum, tragbare Mode zu entwerfen”, erläutert sie. Mit ihren Designs soll man im Alltag stylisch unterwegs sein können und “sich einfach cool fühlen”.
“Cool” ist so ein Wort, dass heute oft benutzt wird, wenn man etwas beschreiben möchte, was einem gefällt. Vielleicht ist es deswegen schon etwas abgenutzt. Aber doch ist es genau das, was einem einfällt, wenn man mit Melanie spricht. Die Strickdesignerin ist eben einfach “cool”. Sympathisch, nahbar, ehrlich. Sie engagiert sich für andere, unterstützt Charity-Aktionen und hat noch viel vor. Noch nimmt das Thema Brustkrebs einen beträchtlichen Teil ihres Alltags ein, weil Prophylaxe-Behandlungen anstehen. Ihrer Lust aufs Leben, aufs Ausprobieren und aufs Stricken tut das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil. Gerade arbeitet Melanie Berg an ihrem dritten Buch. Eines scheint sicher: Es wird cool.